Prokrastination ist verdammt menschlich. Immer wieder neue Faktoren halten uns davon ab, eine Entscheidung zu treffen oder eine Veränderung zu unternehmen. Man mag es sich kaum vorstellen, aber ich wurde auch nicht so geboren
Stattdessen habe ich Spott geerntet, dafür dass ich in Cordhose statt Humör-Jeans zur Schule gegangen bin, es hat mich Überwindung gekostet, als einziger mit Sakko statt Karohemd auf Firmenfeiern zu gehen und gerade erst vor Kurzem war ich zunächst nicht überzeugt davon, im Tweedanzug statt in Engelbert Strauss mein Jägerzeugnis entgegenzunehmen – am Ende habe ich es aber doch getan – und ich bereue keine dieser Entscheidungen. Ganz im Gegenteil – schaut, was aus mir geworden ist.
Okay, ich verkaufe Krawatten im Internet und mache fast täglich Fotos von mir selbst…

Obwohl sich während der letzten zwei Jahre wirklich vieles in der Welt zum Schlechten verändert hat, ist JETZT die beste Zeit, sich für einen klassischen Stil gezeichnet von zeitloser Eleganz, zu entscheiden!
Liebe Freunde des kultivierten Lebensstils, und die, die es werden wollen, lasst’ es mich erklären.

KLEIDERORDNUNG

Konventionen sind vorüber! Die Gesellschaft macht es schon seit langem vor und ein Unternehmen nach dem nächsten zieht nach. Legere Kleiderordnungen werden toleriert und Dresscodes komplett fallen gelassen.

Und das ist großartig!

“aber Steffen”, höre ich euch rufen, “du verkaufst doch Krawatten, das muss doch der Horror für dich sein. Schließlich steht die Krawatte regelmäßig im Fokus der Diskussion als Symbol für die Befreiung von den alten zwanghaften Bräuchen.”

Nein, also doch, ja, ich verkaufe Krawatten aber es ist nicht der Horror. Mein Portfolio war nie attraktiv für Menschen, die gezwungenermaßen Krawatte tragen MÜSSEN, sondern freiwillig Krawatte tragen WOLLEN.

Das Ende der Krawattenpflicht läutet den Anfang des Zeitalters ein, in dem jede Person tragen kann, was sie will.

Und wenn euer Umfeld anfängt, sich neu zu erfinden, warum solltet ihr es dann nicht ebenfalls tun?

STILMIX

Das bringt mich nahtlos zum nächsten Punkt.
Viele Ströme der “Casualisierung” (???) sind auch im Classic Tailoring angekommen und die Szene erfindet sich gerade völlig neu.

Poloshirt zum Leinensakko, Sneaker zur Flanellhose oder einfach ein Anzug aus einer sehr groben Wolle-Leinen-Mischung? – heute ist viel mehr tragbar als noch vor einigen Jahren.

Das ursprüngliche Konzept klassisch eleganter Bekleidung wird immer formeller wirken, als zeitgenössische Mode. Der Stil profitiert von diesen neuen legeren Einflüssen. Auch ihr könnt davon profitieren, denn dieser Mix aus formellen und informellen Stilelementen eignet sich hervorragend für den Einstieg hin zu einer zeitlosen Garderobe.

NACHHALTIGKEIT

Ein viel greifbareres Thema, das nicht nur die Bekleidungsbranche betrifft, ist Nachhaltigkeit. Wir alle sollten versuchen, unser Leben nachhaltiger zu gestalten. Eine Möglichkeit ist es, unseren Konsum stärker zu hinterfragen und Verschwendung einzuschränken. Beides beginnt bereits bei der Bekleidung!

Der erste Schritt könnte sein, Kleidungsstücke nicht mehr als Verbrauchsgegenstände, sondern als Gebrauchsgegenstände zu betrachten und zu behandeln. Während ein Verbrauchsgegenstand, als Beispiel nehme ich jetzt mal ein Papiertaschentuch, nach kurzer Zeit entwertet ist und entsorgt werden muss, können Gebrauchsgegenstände, also z.B. Stofftaschentücher, bei entsprechender Pflege ewig halten. Ein konkretes Beispiel sind Tweedsakkos oder Wachsjacken, die teilweise über mehrere Jahrzehnte problemlos dem Träger beistehen. Genau mit dieser Einstellung sollte man auch seine Garderobe verwalten. Besteht eure eher aus Papier- oder Stofftaschentüchern?

Und wo wir gerade bei Stoff sind – ein Kleidungsstück aus einem nachwachsenden Rohstoff, wie z.B. Wolle oder Baumwolle, ist in der Regel weniger umweltbelastend als ein vergleichbares Kleidungsstück aus Erdöl, ähh sorry, ich meinte natürlich Polyester oder eine andere Kunstfaser.
Ja – bei der Verarbeitung von natürlichen Fasern wird enorm viel Wasser verbraucht und das ist nicht gut aber es hinterlässt langfristig einen deutlich kleineren ökologischen Fußabdruck als Nylon oder ähnliches.

Falls euch das noch nicht überzeugt, dann gibt es immer noch die Möglichkeit, Bekleidung aus Vorbesitz zu erwerben. Da traditionelle Kleidungsstücke wie bereits erwähnt üblicherweise mehrere Jahrzehnte überdauern, gibt es unzählige Vintage-Läden mit mehr als reichhaltigem Warenbestand. Und da sich der zeitlos elegante Stil seit 60 Jahren nur langsam bis kaum verändert, könnt ihr diese Kleidungsstücke auch heute noch hervorragend in euren Alltag integrieren.

INDIVIDUALITÄT

Ein weiteres Thema, ja fast schon ein Buzzword, das unsere heutige Gesellschaft mehr prägt denn je, ist Individualität.

Durch soziale Medien nehmen wir so viele Reize auf, wie keine Generation vor uns, und haben ein klares, einzigartiges Bild davon, wie wir unser Leben leben und wofür wir erinnert werden wollen.
Um in Erinnerung zu bleiben, gilt es, positiv aus der Masse herauszustechen. Das gelingt zum Beispiel unter Zuhilfenahme eines Gegentrends.
Während die Welt um uns herum scheinbar immer mehr und mehr T-Shirts, Sneaker und gleichgeschaltete Massenluxusmarken trägt, hat sich der zeitlos elegante Stil zu einer Gegenbewegung avanciert.
Somit kann eine klassische Garderobe in der heutigen Zeit sogar dafür sorgen, dass ihr bei einem Bewerbungsgespräch oder Date im Gedächtnis bleibt.
Traut euch, aus der Masse herauszustechen! Mit einem zeitlos eleganten Stil werdet ihr zumindest nicht negativ auffallen.

SELBSTFINDUNG

Okay, der letzte Punkt gilt eigentlich immer und auch für jeden Stil. Aber ich halte ihn für äußerst entscheidend.
Je früher ihr anfangt, euch für euren Stil zu entscheiden, desto mehr Zeit habt ihr, euch mit ihm zu entwickeln. Und die werdet ihr auch brauchen, denn ein ausgereifter Stil kommt nicht von einem Tag auf den anderen, sondern muss reifen, wie ein guter Wein.
Daher gilt hier, genauso wie in vielen anderen Bereichen des Lebens, nicht lange zu zögern, sondern einfach mal zu machen.

Ein Faktor, der das Finden eures Stils, zu diesen eigentlich sehr schwierigen Zeiten, vergünstigt, ist das Home Office. Ich weiß selbst genau wie es sich anfühlt, den Druck zu spüren, sich Kollegen anpassen oder dem Chef gefallen zu wollen. Doch sehen eure Kollegen, dass ihr zu Hause Tassel Loafer statt der schwarzen Lloyds tragt? Wird euch euer Boss anrufen und bitten, das Einstecktuch aus der Brusttasche zu nehmen? Beides eher unwahrscheinlich. Das Home-Office ist ein sicherer Raum für Experimente und das Ausloten von Grenzen.

Soll ich vielleicht mal einen Beitrag dazu machen, wie ich meinen Stil gefunden und entwickelt habe? Schreibt es mir in die Kommentare!

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