Ich erinnere mich noch genau, als ich vor etwa acht Jahren in die Welt der klassischen Bekleidung eingetaucht bin, lautete die Antwort auf alle Fragen “SuitSupply”. Es führte einfach kein Weg darum herum.
So kam es, dass auch für mich SuitSupply zu der sartorialen Einstiegsdroge wurde.
Bis heute besteht meine Garderobe immer noch zu einem großen Teil aus Sakkos und Anzügen aus dem SuitSupply-Made-to-Measure-Programm sowie einigen wenigen Hemden aus der Ready-to-Wear-Linie.
Doch ist SuitSupply immer noch die Referenz, an der sich andere Marken im Bereich der klassischen Herrenbekleidung messen müssen?
Schließlich ist die Konkurrenz durch alternative Anbieter wie Spier MacKay, Berg & Berg, Anton Meyer und viele weitere deutlich stärker geworden.
Ich habe mir die neue Kollektion von SuitSupply einmal genauer angeschaut, meine Favoriten zu mir nach hause bestellt und werde euch, liebe Freunde des kultivierten Lebensstils, heute mein Fazit vorstellen.
Ein kurzer Hinweis noch vorweg: Dieser Beitrag ist natürlich NICHT von SuitSupply gesponsert.
1. Rückblick
Bevor wir loslegen, hier die Geschichte von SuitSupply im Schnelldurchlauf.
SuitSupply wurde 2000 in Amsterdam gegründet. Ziemlich unmittelbar ist es dem jungen Unternehmen gelungen, den Markt für Anzüge neu zu mischen.
Da SuitSupply, zumindest beim Ready-To-Wear-Programm, vertikal integriert ist, und somit vom Einkauf der Stoffe, über die Fertigung bis hin zum Vertrieb und Marketing, alle Schritte der Wertschöpfungskette selbst besitzt und kontrolliert, konnten sie sich in einer bisher unbesetzten Nische etablieren.
SuitSupply legte den Fokus sofort auf die hochwertige Half- oder Full-Canvas-Verarbeitung und war gleichzeitig in der Lage, den Preis auf einem erschwinglichen Niveau zu halten.
Das gab es vorher nie – entweder Anzüge waren verklebt und wurden günstig in Kaufhäusern angeboten oder aber sie waren besser verarbeitet, wurden dann aber von Luxusmarken zu exorbitanten Preisen verkauft. SuitSupply hat diesen Spagat geschafft zwischen hochwertiger Verarbeitung und fairem Preis.
Was SuitSupply für mich persönlich darüber hinaus ausgezeichnet hat, war die exzellente Online-Präsenz. Die Anzüge sind immer noch gut in Szene gesetzt, es gibt Detailaufnahmen von Stoffen, die Informationen sind sehr präzise aufgeführt und die verschiedenen Schnitte wurden noch bis vor Kurzem per Video erklärt.
Über die Jahre gab es Hoch- und Tiefpunkte.
Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Winterkollektion, in der fast jedes Kleidungsstück zu 1/3 aus Kunstfaser bestand und man versuchte, das so gut wie möglich zu vertuschen. Damals ging schnell ein Raunen durch die Szene und es wurde vermutet, dass dort irgendjemand im Einkauf der Stoffe großen Bockmist betrieben hat.
Kurze Zeit darauf wurde das fantastische Made-to-Measure-Programm gelauncht, das bis heute besteht und aus dem Kleidungsstücke hervorgegangen sind, die ich auch jetzt noch extrem gerne trage.
Es folgte der “Hudson”-Schnitt in der Ready-to-Wear-Linie, der mit aufgesetzten Taschen, einem breiten Revers und plissierten Schultern so ziemlich alle feuchten Menswear Träume abgedeckt hat.
Und dann gab es dieses eine Jahr, in dem plötzlich alle Schnitte zu “Havanna” umbenannt wurden. Seitdem kann man sie zumindest von der Beschreibung her nicht mehr auseinanderhalten.
2. Gegenwärtiger Stand
Doch nun zurück zur aktuellen Kollektion und meiner Bestellung.
Die Lieferung verlief problemlos. Die Bestellung kam wie immer per UPS aus den Niederlanden innerhalb weniger Tage bei mir an. Im Gegensatz zu früheren Paketen, kamen die Anzüge hier zusammengelegt und nicht hängend an. Die Krawatten lagen, nur durch eine Klarsichthülle geschützt, lose im Paket. Das hat mich Etwas überrascht.
Neben den beiden Krawatten habe ich mich für einen Cordanzug, ein Tweedsakko, einen Mantel, eine Hose und einen Anzug in einer hochwertigeren Full-Canvas-Verarbeitung entschieden.
Meine Größe bei SuitSupply entspricht einer 94, also einer langen 48. Ich bin 1,845 groß und wiege dank Corona etwa 76 kg.
Alle Teile zusammen liegen bei 2222€
Das klingt im ersten Moment nach einer Menge Geld – wie sieht also der Gegenwert aus?
3. Cordanzug
Auf diesen Cordanzug habe ich mich am meisten gefreut.
Er setzt sich aus einem zweireihigen Havanna-Sakko und einer Hose im Braddon-Schnitt zusammen. Der Schnitt der Hose mit den zwei Bundfalten ist für mich völlig neu und unbekannt und ich habe sehr viel Hoffnung gesteckt.
Die früheren SuitSupply-Hosen mit Flat-Front waren für mich regelmäßig die Schwachstelle des Produktportfolios und ich habe sie als sehr unbequem in Erinnerung behalten.
Leider ist mein Traum nicht in Erfüllung gegangen
Der positive Aspekt ist die Leibhöhe, die moderat hoch ausfällt und mir gut gefällt.
Doch da hören die positiven Aspekte leider auf. Der Rest der Hose ist viel zu eng geschnitten. Der Schnitt ist ebenfalls nicht in sich konsistent. Während die Bundfalten oben herum viel Volumen erzeugen, klebt die Hose bei mir an den Beinen und bleibt an den Strümpfen hängen.
Das Sakko ist ebenfalls grundsätzlich schön geschnitten. Die Gesamtlänge ist für einen Zweireiher sogar sehr sehr gut – oft sind die ja bewusst kurz geschnitten. Ebenso passt die Höhe des Schließpunktes.
Was mich überrascht – das Sakko ist selbst für mich viel zu eng geschnitten.
Ich verstehe nicht, weshalb man ein Sakko Off-the-Rack so schmal schneidet? Schließlich lässt es sich leichter leichter taillieren als auslassen.
Zuletzt ist mir noch aufgefallen, dass der Stoff deutlich heller, bzw. weniger gesättigt wirkt, als angenommen. Diese Auffälligkeit zieht sich durch alle Kleidungsstücke, die ich bestellt habe.
Vielleicht liegt es an der Einstellung meines Computer-Monitors aber ich habe dieses Problem sonst nie beobachtet.
4. Tweed-Sakko
Auch vom zweiten Kleidungsstück – ein Tweedsakko mit Glencheck-Muster – habe ich große Erwartungen gehabt. Ich suche bereits seit sehr langer Zeit ein Tweedsakko mit großem, fast schon Oversize-Glencheck, in einem satten honigfarbenen Braunton. Im Webshop dachte ich noch, es kommt nah an diese Vorstellung heran.
Und ja – der Stoff ist großartig. Die Mischung aus Schurwolle, Alpaka und Seide fühlt sich wie eine poröse Wolldecke an – im positiven Sinne.
Das Sakko ist komplett ohne Futter verarbeitet, was das Tragegefühl noch komfortabler macht.
Leider ist aber auch hier der Stoff viel weniger gesättigt, als im Webshop suggeriert. Ich habe ein beige-dunkelbraunes Sakko erwartet und ein crème-mittelbraunes erhalten
Außerdem handelt es sich bei dem Schnitt – und ich hatte es schon fast befürchtet – um den ursprünglichen Havanna-Schnitt, so wie er war, bevor fast alle Schnitte zu Havanna umbenannt wurden.
Das heißt – dieses Sakko hat den höchsten Schließpunkt aller einreihigen SuitSupply-Sakkos, aus dem aktuellen Programm.
Bei mir sitzt der Schließpunkt etwa zwei Finger unter dem Brustbein und das ist ungefähr zwei Finger zu hoch.
5. Mantel
An den Mantel aus purem Alpaka habe ich die geringsten Erwartungen gestellt.
Ich hatte viel mehr die Befürchtungen, er könne zu kurz und zu dünn sein.
Nun bin ich allerdings positiv überrascht
Abgesehen von dem Stoff, der sich wirklich fantastisch anfühlt, gefallen mir die Details wie die Raglan-Schultern und der große Kragen sowie der Gürtel.
Die Länge ist in Ordnung. Dazu muss ich allerdings anmerken, dass ich den mantel wohlwissend eine Nummer größer bestellt habe, als nötig. So ist es auch möglich, darunter ein Sakko oder einen dicken Pullover zu tragen. Das wäre ansonsten schwierig geworden.
Dadurch, dass der Mantel sowieso Raglan-Schultern und einen Gürtel hat, ist die Passform sehr tolerant. Kauft ihn also ruhig eine Nummer größer.
6. taupe Hose
Die zweite für mich neue Hose kommt im Vigo-Schnitt mit einfacher Bundfalte und aus Tropical-Wolle von Vitale Barberis Canonico.
Hier interessiert mich hauptsächlich der Schnitt und die außergewöhnliche Farbe.
Das beides ist auch gar nicht so verkehrt.
Die Farbe lässt sich gut mit Sakkos in blau- grün- und brauntönen kombinieren und wirkt in Wirklichkeit etwas heller als auf den Fotos im Webshop.
Der Schnitt hat definitiv weitere Beine als das Braddon-Modell aber auch hier misse ich die Konsequenz. Die Fußweite kann man vielleicht bei einer Chino oder einer Jeans durchgehen lassen aber nicht an einer formellen Stoffhose.
Auch die Bundfalte ist weniger tief als ich es mir wünschen würde. Sie erfüllt ihren Zweck nur annähernd, sodass man in der Hose okay sitzen kann aber mehr Tiefe wäre deutlich besser.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Stoff kaum Drape hat. Ich habe zwar bereits angenommen, dass es sich um eine Sommerhose handelt aber war vom geringen Stoffgewicht dennoch überrascht. Das Material fühlt sich fast wie Papier an und bleibt durch das geringe Eigengewicht fast ununterbrochen an den Strümpfen kleben – da hilft auch der standardmäßige Umschlag nicht.
7. Full-Canvas Anzug
Kommen wir endlich zu meinem persönlichen Highlight aus dieser Bestellung – dem “Havanna” in Full-Canvas-Verarbeitung.
Hier stimmt fast alles.
Der Schnitt und die Verarbeitung des Sakkos ist perfekt. Von der unfassbar leichten Einlage über die plissierte Schulter und die aufgesetzten Taschen bis hin zum Schließpunkt, zwei Finger breit über der natürlichen Taille. Die Art und Weise, wie dieses Sakko fällt ist den anderen Teilen, die sowieso schon gut sind, nochmal meilenweit überlegen.
Auch der Stoff ist fantastisch. Es ist ein Flanell aus 90% Schurwolle und 10% Kaschmir. Dieser Stoff ist ebenso, wie der, der taupefarbenen Hose, überraschend leicht – aber das werte ich positiv.
In meinen Augen muss Flanell heute nicht mehr besonders schwer sein, da so ziemlich jedes Büro über eine Heizung verfügt und man sich Winter – egal, was man trägt, nicht mehr den Mors abfriert.
Viel mehr geht es um die optische Illusion, die Flanell erzeugt, und das klappt hier perfekt.
Abstriche muss man nur bei der Hose machen, die sehr ähnlich zum Vigo-Schnitt ist, und wenig überraschend nicht durch Beinweite und Komfort glänzt. Theoretisch könnte man aber 1,5 bis 2 cm Nahtzugabe aus dem Hosenbein auslassen. Damit wäre sie tragbar.
Insgesamt erinnert mich der Anzug sehr an alte “Jort”-Modelle und überhaupt nicht an Havanna, so wie ich den Schnitt von früher kenne.
Ob der ca. doppelte Preis, genau genommen 699€, das Upgrade vom Half-Canvas-Anzug wert ist, muss jeder selbst entscheiden. Für einen Anzug, den man plant regelmäßig zu tragen, wäre es mir den Aufpreis wert.
Denn – ein Anzug mit kompletter Rosshaareinlage ist noch anschmiegsamer und langlebiger als einer mit einer teilweise unfixierten Verarbeitung.
Und – die Art und Weise, wie sich dieses Sakko tragen lässt, steht meinen besten und teuersten Sakkos in Nichts nach.
8. Krawatten
Zum Abschluss wollte ich noch einige Accessoires aus älteren Kollektionen bestellen. Am Ende sind es zwei Krawatten – eine für 39 und eine für 49€ geworden.
Was mich bereits im Webshop überrascht hat ist, dass ich keine Angaben zu Länge oder Breite der Krawatten finden konnte.
Erst jetzt, wo sie angekommen sind, weiß ich, sie sind beide 7,5 cm breit und 150 cm lang. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich sie nicht bestellt, da eine Krawatte für einen schönen Knoten mit Dimple mindestens 8 cm breit sein sollte.
Aber es gibt auch gute Nachrichten – beide Krawatten sind von Hand gefertigt und beide Stoffe und Dessins sind wirklich geschmackvoll und hochwertig. Ich würde sie ebenfalls für meine eigenen Krawatten wählen.
Die günstigere Krawatte ist “tipped”, sprich sie ist bis zur Spitze gefüttert, während die teurere Krawatte in der Spitze nicht gefüttert ist und stattdessen über handrollierte Kanten verfügt. Diese sind jedoch so grob ausgeführt, dass man eher von handumgelegten Kanten sprechen kann.
Zudem verfügen beide Krawatte über verschiedene Einlagen. Die 39€-Krawatte ist dicker, in meinen Augen zu dick, gefüttert. Das zeigt sich auch im Knoten beim Binden.
9. Fazit
Wo fange ich an? Eins vorweg – alle Sachen aus dieser Bestellung sind sehr gut gemacht und vom Preis-Leistungs-Verhältnis her unschlagbar. Größter Kritikpunkt waren und bleiben für mich die engen Hosen. Ich hatte gehofft, dass mit der Einführung von Bundfaltenhosen im Produktportfolio endlich Hosen dabei sind, die mir gut passen. Die Wahrheit ist – die Änderungen am Schnitt sind rein optischer Natur. Leider sind die Hosenbeine weiterhin extrem röhrenartig geschnitten und – zumindest für mich – im Alltag untragbar, da ich mich in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt fühle und kaum vernünftig darin sitzen kann.
Wenn ihr schmalere Waden und Oberschenkel habt als ich dann – freut euch!
Falls ihr auf enge Hosen steht, dann – Warum genau seid ihr auf meinem Kanal gelandet?
In beiden Fällen könnt ihr weiterhin mit gutem Gewissen zu SuitSupply greifen.
Und auch generell bleibe ich dabei, dass SuitSupply einer der wenigen Anbieter ist, der regelmäßig geschmackvolle ganzheitliche Kollektionen zu erschwinglichen Preisen anbietet und auch weiterhin eine rundum solide Wahl ist.
Mich würde brennend interessieren, ob ihr ebenfalls die gleiche Erfahrung mit den Hosen von SuitSupply gemacht habt. Schreibt es mir bitte in die Kommentare.
Hier ist noch ein Beitrag für euch zu den 5 goldenen Regeln für zeitlose Outfits.